Einige Gedanken zur Steuerreform
Jetzt haben wir es also getan. Binnen weniger Tage die rechte und die linke Herzkammer der Grünen Regierungsbeteiligung präsentiert: das Klimaticket und die ökosoziale Steuerreform.
Wir haben konkrete Pläne mit konkreten Zahlen und konkreten Auswirkungen vorgelegt, an denen wir uns nun messen lassen. Wir haben nicht, wie wir es in drei Jahrzehnten Opposition gelernt haben, die Regierung aufgefordert zu handeln, sondern wir haben gehandelt. Vor allem aber haben wir verhandelt, nämlich mit unserem Koalitionspartner.
Reden wir über die ökosoziale Steuerreform: Selbstverständlich lässt das Resultat viele Unzufriedene zurück. Wie könnte es auch anders sein!? Hier die Erwartung des ökologischen Paukenschlags, da die Betonung des sozialen Augenmaßes der Reformen, und dort die Hoffnung auf ökonomische Unbedenklichkeit der steuerlichen Eingriffe. Genauso wie Archimedes und viele Mathematiker:innen nach ihm wissen wir, dass die Quadratur des Kreises eine unmöglich zu lösende Aufgabe ist – doch wir haben uns bemüht, in der Formulierung unseres Reformvorhabens zumindest alle drei Perspektiven zu berücksichtigen und uns so einem Ergebnis anzunähern, das Akzente setzt, ohne den einen oder den anderen Standpunkt völlig zu vernachlässigen. Uns war dabei klar, dass der Jubel aus den einzelnen Ecken des riesigen Gemüsebeets, das wir da beackert haben, verhalten ausfallen würde.
Ein Preis für das Treibhausgas
Aber blicken wir doch ein bisschen näher hin. Ab dem 1. Juni nächsten Jahres wird eine Tonne CO2 30 Euro kosten, dann heben wir den Preis bis 2025 schrittweise auf 55 Euro an. An einer solchen Maßnahme wäre, mit Verlaub, jede Regierung der Zweiten Republik gescheitert, wenn sie sich denn überhaupt dafür interessiert hätte. Treibhausgas erhält nun endlich einen Preis. Jeder Beitrag zur globalen Erwärmung lässt sich nun in Euro ausdrücken – das ist eine epochale Errungenschaft, die in Österreich ihresgleichen sucht. Könnte der Preis nicht höher sein? Na klar; ich selbst habe mich für einen Betrag zwischen 50 und 120 Euro ausgesprochen. Aber ich kann die Position nachvollziehen, dass wir mit einem eher niedrigen Einstiegspreis den Haushalten und den Unternehmen die Möglichkeit einräumen, ihre Energieversorgung und ihre Produktionsprozesse innerhalb eines recht engen Zeitfensters an die neuen steuerlichen Rahmenbedingungen anzupassen. Im Übrigen wird der CO2-Preis mit den Kursen auf den Energiemärkten korrespondieren. Sollte Energie aus welchen Gründen auch immer in nächster Zeit billiger werden, würde die CO2-Bepreisung erhöht.
Daraus folgt unter anderem, dass Benzin in Hinkunft um rund 6,6 Cent pro Liter, Diesel um rund 7,5 Cent pro Liter teurer wird.
Das sind schlechte Nachrichten für Menschen, die viel mit dem Auto unterwegs sind bzw. unterwegs sein müssen. Aus diesem Grund haben wir den sogenannten Klimabonus eingeführt, mit dem wir die Belastungen für Einzelpersonen und Familien, die durch die CO2-Bepreisung entstehen, dämpfen wollen. Und weil es nun einmal einen verkehrsrelevanten Unterschied macht, ob jemand im Zentrum von Dornbirn oder in Gargellen lebt, tritt zum Klimabonus der sogenannte Regionalausgleich hinzu, der, gestaffelt in drei Kategorien, an Menschen ausbezahlt wird, die abseits der urbanen Zentren wohnen. Damit wollen wir Pendler:innen unterstützen, die in Gegenden wohnen, die das öffentliche Verkehrsnetz bisher nur unzureichend erfasst, und die daher auf ihr Auto angewiesen sind. Ja, auch wohlbestallte Villenbesitzer:innen aus der Hinterbrühl bei Wien, die täglich mit ihren SUVs in ihre Wiener Innenstadtbüros fahren, erhalten den Regionalausgleich. Doch es wird ihnen nur dann etwas davon bleiben, wenn sie ihr Mobilitätsverhalten ändern. Tun sie das nicht, landet der Klimabonus im Tank.
Diese Unschärfe haben wir zugunsten der Übersichtlichkeit der Maßnahme in Kauf genommen. Außerdem sind wir mit dieser Reform ja nicht am Ende der Regierungsarbeit angekommen. Die Grünen arbeiten weiterhin mit Hochdruck daran, die soziale und ökologische Treffsicherheit der Pendlerpauschale zu erhöhen, wie es ja auch im Regierungsprogramm vereinbart wurde.
Klimaschädliches Heizen – das Ausstiegsszenario
Ja, Heizöl und Erdgas werden teurer, und zwar um rund 7,8 Cent pro Liter bzw. 6 Cent pro Kubikmeter. Das stellt, da müssen wir nichts schönreden, eine Zumutung für Mieter:innen dar, die keinen Einfluss darauf haben, welches Heizsystem der Vermieter:innen installiert hat. Rund ein Viertel der Haushalte in Österreich wird mit Erdgas, etwa ein Achtel mit Öl beheizt. Doch genau aus diesem Grund haben die Grünen Verhandler:innen so vehement darauf gedrängt, dass der Klimabonus tatsächlich an alle ausbezahlt wird, denn heizen muss jede und jeder. Außerdem sieht die Steuerreform in diesem Bereich eine Erhöhung der Förderung für den Ausstieg aus Öl und Gas vor: nicht weniger als 500 Millionen Euro sind für sauberes Heizen reserviert. Es ist daher nicht nur ökologisch sinnvoll, sondern es dürfte auch rentabel werden, auf alternative Wärmeversorgung umzusteigen. Bis 2035 bzw. 2040 sollen Heizformen, die auf fossilen Energieträgern beruhen, ohnehin ihr natürliches Ende finden. Insofern sind Vermieter:innen gut beraten, schon jetzt, da die Regierung großzügige Förderungen zur Verfügung stellt, umzusteigen.
Wir erleben ja gerade, mit welcher Vehemenz Gazprom und Co. an der Preisschraube drehen, um Druck hinsichtlich der Umsetzung gewünschter Pipelineprojekte zu erzeugen und den Markt weiter zu monopolisieren. Angesichts dieser Zustände können wir nur zu dem Schluss gelangen, dass wir diese fatale energiepolitische Abhängigkeit schleunigst überwinden müssen.
Das „Sozial“ in „Ökosozial“
Wir sollten aber auch die finanziellen Leistungen nicht unerwähnt lassen, die insbesondere Geringverdiener:innen unterstützen sollen. Im Rahmen der ökosozialen Steuerreform wird der Kinderbonus für geringverdienende Alleinerzieher:innen und Familien erhöht, und Schritt für Schritt senken wir die Tarifstufen bei der Einkommensteuer, beginnend mit der zweiten Stufe, die Einkommen bis zu einer Höhe von rund 2.600 Euro im Monat umfasst. Außerdem hat die Regierung die Krankenversicherungsbeiträge von Menschen mit geringen Einkommen gesenkt, so dass diese Personengruppe mit bis zu 200 Euro pro Jahr entlastet wird; die entfallenden Einnahmen, das nur nebenbei, werden den Sozialversicherungen selbstverständlich ersetzt. Wir haben vehement dafür gestritten, dass die Menschen am untersten Ende der existenziellen Absicherung nicht von diesen Ausgleichszahlungen abgeschnitten werden.
Wird das genug sein? Vielleicht.
Ganz ehrlich, es fällt mir ein bisschen schwer, die ostentative Empörung der SPÖ ernst zu nehmen. Klar, es gehört zur Profilierung als Oppositionspartei, mehr oder weniger alles, was die Regierung beschließt, für unzulänglich, fehlerhaft, falsch, unausgegoren und defizitär zu halten. Geschenkt. Aber es sei mir doch der Hinweis erlaubt, dass die ehemalige Kanzlerpartei SPÖ auch in sozialpolitischer Hinsicht erst die Zustände herstellte, gegen die die jetzige Regierung – und, nennen wir das Kind beim Namen: hauptsächlich die Grünen – nun ansteuert. Sicher, eine Senkung der Krankenversicherungsbeiträge um, sagen wir, 2,5 oder 3,4 % hätte die Geringverdiener:innen noch stärker entlastet. Doch auf der anderen Seite der Gleichung steht nicht nur die Finanzierbarkeit des Gesundheitssystems, sondern eine mit satter relativer Mehrheit ausgestattete ÖVP, die unsere Verhandler:innen erst einmal davon überzeugen mussten, dass Steuersenkungen allein ein untaugliches Rädchen sind, wenn es darum geht, jene Menschen zu entlasten, die ohnehin bereits unter existenziellen finanziellen Nöten leiden.
Und wie schon weiter oben gesagt, halte ich den nun beschlossenen CO2-Preis für zu niedrig. Aber der zentrale Punkt ist doch, dass wir das Spielfeld verändert haben. Treibhausgas hat nun einen Preis. Das Steuersystem erhält ein völlig neues Element, eine Schraube, an der, wie Andreas Koller in den Salzburger Nachrichten ganz richtig geschrieben hat, „künftige Regierungen und künftige Generationen drehen können, um im Wortsinne steuernd ins ökologische und klimatische Geschehen einzugreifen“.
Deshalb würde ich dem allgemeinen Aufstöhnen gern eine Prise Optimismus beimischen. Blicken wir kurz zurück. Vor der Nationalratswahl 2019 hätten wir uns auch mit sehr viel Phantasie kaum ausmalen können, was die Grünen binnen zweier Jahre auf den Weg bringen würden: das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz, die Klimaneutralität ab 2040, das Klimaticket, und nun die ökosoziale Steuerreform. Der Klimaschutz hat sich zum stärksten Erzählstrang dieser Regierung entwickelt. Wer, Hand aufs Herz, hätte das im Sommer 2019 für möglich gehalten!? Das alles ist uns gelungen, während die Corona-Pandemie den Großteil unserer Aufmerksamkeit gefordert hat, und es ist noch nicht einmal der Halbzeitpfiff für diese Legislaturperiode ertönt.
Im Ernst, diese Zwischenbilanz erfüllt mich mit Zuversicht.
Ein wenig mehr grüne Aufklärung der Bevölkerung würde ich mir aber schon wünschen...Die Türkise Propagandamaschine ist wesentlich lauter